500.000 Kilometer auf dem Tacho und nicht bezahlt: Warum Schweden 1.000 Autos an Nordkorea verkauft hat und nie einen Cent dafür sah

Eine kuriose Geschichte, die beteiligte Behörden aus Schweden uns gegenüber bestätigen.

Die ungewöhnliche Reise von 1.000 Volvo-Fahrzeugen nach Nordkorea fand vor etwa fünf Jahrzehnten statt. (Bild: stock.adobe.com - Spencer, alltagsklassiker.de) Die ungewöhnliche Reise von 1.000 Volvo-Fahrzeugen nach Nordkorea fand vor etwa fünf Jahrzehnten statt. (Bild: stock.adobe.com - Spencer, alltagsklassiker.de)

Wir schauen bei GameStar Tech immer wieder mal über den klassischen Technik-Tellerrand hinaus, wenn es um besonders interessante oder kuriose Fälle geht.

Dazu zählt auch die Geschichte von zahlreichen Volvo-Oldtimern in Nordkorea, die bereits vor fast zehn Jahren durch einen Artikel der Webseite Newsweek für Aufmerksamkeit gesorgt hat (via Mein-MMO). Aber wie ist der aktuelle Stand?

Genau dazu sind wir mit schwedischen Behörden in Kontakt getreten. Konkret geht es um die schwedische Exportkreditagentur EKN und um die schwedische Botschaft in Nordkorea.

Letztere hat im Jahr 2016 dieses Bild bei X (damals noch Twitter) zu dem Fall gepostet. Es zeigt einen der jahrzehntealten Volvos, der über 500.000 Kilometer gefahren wurde, aber nie bezahlt.

Die Botschaft schrieb damals zu diesem Foto: »Läuft wie geschmiert. Einer der Volvos aus dem Jahr 1974, für den Nordkorea noch nicht bezahlt hat. Genutzt als Taxi in Chongjin mit fast 500.000 Kilometern auf dem Tacho!« Die Botschaft schrieb damals zu diesem Foto: »Läuft wie geschmiert. Einer der Volvos aus dem Jahr 1974, für den Nordkorea noch nicht bezahlt hat. Genutzt als Taxi in Chongjin mit fast 500.000 Kilometern auf dem Tacho!«

Wie kommen 1.000 Volvos aus den 1970ern nach Nordkorea?

Der Hintergrund dieser Lieferung waren nach dem Ende des Korea-Konflikts im Jahr 1953 Hoffnungen von Schweden auf Handelsbeziehungen mit Nordkorea. Das hat uns Malin Alm Gerentz von der EKN als Bestätigung für den Bericht der Newsweek erklärt.

  • Im Jahr 1975 war eine große schwedische Industriemesse in Nordkorea geplant. Im Vorfeld dieser Messe hat das Land in Ostasien vielen Bestellungen bei schwedischen Firmen aufgegeben.
  • Neben Volvo gehörten auch Atlas Copco, Asea, Alfa Laval (Industrieprodukte) und Kockums (Marineprodukte) zu den Unternehmen, die damals Waren nach Nordkorea geliefert haben. Sie sind genau wie Volvo bis heute noch aktiv (wenn auch teils unter anderem Namen).
  • Ursprünglich lag die Schuldensumme bei etwa 50 Millionen Euro, insgesamt belaufen sich die ausstehenden Forderungen aber mittlerweile auf stolze 240 Millionen Euro.

Unsere Nachfrage, warum die Summe seit dem Bericht von Newsweek aus dem Jahr 2014 nicht weiter angewachsen ist, beantwortet Gerentz folgendermaßen:

Der Grund dafür ist, dass eine Rekapitalisierung der Zinsen seither nicht mehr relevant war.

Kein Wunder, wenn man nach so langer Zeit immer noch kein Geld gesehen hat. Aber welche Rolle genau spielt die EKN dabei?

Das Risiko lag nicht bei den schwedischen Firmen selbst

Die aktuelle Risikoeinschätzung der EKN für Nordkorea. Wenig überraschend liegt es auf der höchstmöglichen Stufe 7. Die aktuelle Risikoeinschätzung der EKN für Nordkorea. Wenig überraschend liegt es auf der höchstmöglichen Stufe 7.

Die EKN wird von der Regierung beauftragt, schwedische Exporte und die Internationalisierung schwedischer Unternehmen zu fördern.

  • Dazu versichert sie Exportunternehmen und Banken gegen das Risiko von Zahlungsausfällen bei Exportgeschäften. Finanziert wird sie aus den Prämien der Garantienehmer.
  • Dass die schwedischen Firmen damals überhaupt das Risiko eingegangen sind, Waren auf Kredit nach Nordkorea zu exportieren, wurde also erst durch die EKN und ihre Versicherung des Zahlungsrisikos ermöglicht.
  • Es ist nicht davon auszugehen, dass die EKN ihr Geld von Nordkorea je sehen wird, auch wenn man weiter bemüht darum ist, wie Gerentz sagt. Man versuche, das Geld über diplomatische Beziehungen einzutreiben, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.

Die diplomatischen Beziehungen liegen auf Eis

Dass sich diese Beziehungen zuletzt sehr schwierig gestalten haben, bestätigt unser Kontakt mit der schwedischen Botschaft in Nordkorea. Darin ginge es um die Frage, warum es seit mehreren Jahren keine X-/Twitter-Beiträge mehr von ihr gibt, was folgendermaßen erklärt wird:

Schwedens entsandte Diplomaten in Pjöngjang sind im August 2020 vorübergehend nach Stockholm umgezogen. Unsere Botschaft in Pjöngjang bleibt geöffnet und unsere Mitarbeiter arbeiten vor Ort in Pjöngjang. Unser diplomatisches Personal ist bereit, dauerhaft nach Pjöngjang zurückzukehren, sobald es die Umstände erlauben.

Erica Kanold, Schwedisches Ministerium für auswärtige Angelegenheiten

Eine ganz andere kuriose Geschichte im Zusammenhang mit Nordkorea beleuchten wir im folgenden Artikel näher für euch:

Um welches Volvo-Modell handelt es sich? Das nach Nordkorea exportierte Modell ist der Volvo 144 GL. Seine Produktion begann im Jahr 1966 und endete ungefähr zu der Zeit, als viele dieser Autos nach Nordkorea verkauft wurden.

Zur Markteinführung lag der Preis des Volvo 144 GL in Deutschland bei etwa 14.000 DM.

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